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Kochstraße 19
74405 Gaildorf
Kaum ein Bereich des öffentlichen Lebens einer Kleinstadt vom Format Gaildorfs war in den letzten 150 Jahren so bewegt wie die Gesundheitsversorgung. Die turbulente Entwicklung, oft am Rand des Abgrunds, ist beispiellos. Heute verfügt das Zentrum des Limpurger Landes über ein topmodernes Ärztehaus und ein Gesundheits-Dienstleistungszentrum.
Rückblende ins Jahr 1852. In der Beschreibung des Oberamts Gaildorf wurde bedauert, dass im gesamten Bezirk "keine besonderen Armen- und Krankenanstalten vorhanden" seien - außer dem "Armenhaus, früher ein Lazarett oder Siechenhaus" für "dürftige und elende Personen". Das vermutlich älteste Gebäude der Stadt, von Bauhistoriker Gerd Schäfer vor dem Verfall gerettet und saniert, kann als die Keimzelle der Gesundheitsversorgung in Gaildorf angesehen werden, eine Art Krankenhaus für etwa 23 000 (!) Menschen - das seiner Aufgabe nicht gerecht werden konnte.
Das erste Bezirkskrankenhaus durfte 1864 in Betrieb genommen werden, eingerichtet in einem früheren Wohngebäude in der Karlstraße. Diese bescheidene Lösung zur Pflege von Kranken wurde von Oberamtsarzt Dr. Karl Koch geleitet, dem späteren Präsidenten des württembergischen Medizinalkollegiums. Erst im Zuge einer "Medizinalvisitation" anno 1900 sollte die Wende eingeläutet werden. Das Ergebnis: Die Einrichtung entspreche in keiner Weise den "neuzeitlichen Anforderungen!"
Zeitsprung - 100 Jahre später: Das 1909 eingeweihte Gaildorfer Bezirks- und spätere Kreiskrankenhaus hatte sich nach mehreren Um- und Erweiterungsbauten - nach Phasen des Niedergangs und Aufschwungs - durch das Engagement der Chirurgen Dr. Udo Harr und Dr. Ulrich Bauer sowie dem Internisten Dr. Jürgen Ansel zu einer modernen Vorzeigeklinik gemausert, in der innovative Eingriffe vorgenommen werden konnten. Ärzte großer Kliniken - ob aus Berlin oder Hamburg - kamen zur Weiterbildung nach Gaildorf. Im Großraum Stuttgart genoss die Einrichtung an der Kochstraße gar den Ruf einer "Sportklinik."
Zeitsprung - weitere zwölf Jahre später: Nach mehreren Rettungsversuchen, zuletzt durch das Diakonie-Klinikum in Hall, wurde 2012 das Gaildorfer Krankenhaus, zuvor mit Millionenaufwand saniert, geschlossen. Dieses Haus der Gesundheit, das lange Zeit etwa in der Endoprothetik führend war, hatte einen Makel - in heutiger Zeit jedoch den größtmöglichen: Es war zu klein, damit "grenzwirtschaftlich", wie es ein früherer Klinikmanager formulierte - und es hätte durch seine Schuldenlast die Nachbarkliniken mit in den Abgrund gerissen.
Kreiskämmerer Werner Schmidt, gleichzeitig Geschäftsführer der Landkreis Schwäbisch Hall Klinikum gGmbH in Crailsheim, ließ fortan nichts unversucht, um wieder Leben in die Immobilie zu bringen. Seinem Einsatz ist es zu verdanken, dass daraus das "Centrum Mensch" entstehen konnte - unter anderem mit Facharztpraxen, Praxen für Logopädie, Psycho- und Physiotherapie, jungen Unternehmen, Künstlern, einem Ladengeschäft, Wohngemeinschaften mit Betreuungsangeboten, Pflegeeinrichtungen und vielem mehr.
Szenenwechsel. Gaildorf hat sein Krankenhaus verloren. Diesem Aderlass steht ein Zuwachs an modernen Behandlungsmethoden an den umliegenden größeren Kliniken entgegen, von dem auch Patienten im Limpurger Land profitieren. Nur: Auch die (haus-)ärztliche Versorgung auf dem Land ist schwieriger geworden; auf die (Gesundheits-)Politik konnten und wollten sich Stadtverwaltung und Gemeinderat nicht verlassen. Vor diesem Hintergrund reifte die Idee, ein Ärztehaus zu bauen. Das Projekt wäre heute noch ein Phantom, hätte sich nicht die Familie Schick bereit erklärt, das Ganze zu stemmen.
Karin Schick fasste sich ein Herz und leistete die Investition, "die nicht nur den Menschen in unserer schönen Heimatstadt, sondern auch Fachärzten zugutekommen soll." Die neue Einrichtung, in Rekordzeit geplant und gebaut, ist seit wenigen Wochen in Betrieb und soll nach dem Willen der Investorin den Bürgern "eine bequeme ärztliche Versorgung in einer modernen Umgebung ermöglichen." Und zugleich den Ärzten "eine zeitgemäße Infrastruktur und Gemeinschaft für beste Patientenbetreuung" bieten.
Ob das Gaildorfer Beispiel die Gesundheitspolitik, mit der Karins Vater Gerhard keineswegs einverstanden ist, positiv beeinflussen oder zumindest befruchten wird?
HALLER TAGBLATT | RUNDSCHAU GAILDORF | KLAUS MICHAEL Oßwald | 01.04.2016
Die Bilder zeigen vier Stationen Gaildorfer Medizingeschichte, Fotos: RS-Archiv: